Montag, 12. Mai 2014

Podiumsdiskussion vom 27.9.2005

Vergessen und verfallen

Architektur. Die Hälfte aller 800 Schlösser in Sachsen steht leer. Die Privatisierungs-Aktion des Freistaates ist gescheitert.

von Ulf Mallek

Das Schloss Böhla bei Ortrand sieht aus, als wäre hier eine Bombe eingeschlagen. Fachleute schätzen, es hält noch zwei oder drei Jahre. Dann stürzt es ein. Nicht viel besser ist der Zustand des Ritterguts Deutschenbora bei Nossen oder des Schlosses Radibor bei Bautzen. Es droht der vollständige Zerfall. Das Schloss Übigau sieht aus, als müsste es morgen abgerissen werden. Die Eigentümer haben das Interesse an ihrem Besitz verloren.
Die Privatisierungsbemühungen für die rund 800 noch existierenden Schlösser und Herrenhäuser im Freistaat sind gescheitert. Das sagte der Architekt und Buchautor Matthias Donath am Dienstagabend auf einer Podiumsdiskussion der Sächsischen Zeitung im Dresdner Haus der Presse. Mehr als die Hälfte der Schlösser steht leer. Ein Drittel ist in einem verfallenen Zustand. Donath rechnet damit, dass in den nächsten 20 Jahren rund 160 Schlösser in Sachsen einstürzen werden. Er fordert ein staatliches Notprogramm zur Rettung der Schlösser. Als Vorbild nannte er die Stadt Leipzig. Zur Rettung ihrer lehr stehenden wertvollen Gründerzeithäuser gibt sie jährlich zwei Millionen Euro aus. Donath: „Das Leipziger Programm läuft erfolgreich."

Dachmarke für Schlösser

Die Chefin des Landesamtes für Archäologie Judith Oexle lehnt solch ein Programm ab. „Wir können nicht immer nach dem Staat rufen, wenn es Probleme gibt", sagte sie und forderte mehr Privatinitiative. Als Beispiele dafür stehen Viktor Freiherr von Finck, der sein Familienschloss Nöthnitz bei Dresden zurückkaufte und selbst bewohnt, oder der Dresdner Magier Karl-Heinz Kaiser, der Schloss Schönfeld in Dresden als Zauberschloss betreibt. Freiherr von Finck: „Es fällt uns Privatbesitzern aber sehr schwer, die laufenden Kosten zu erwirtschaften."
Sonja Schilg, Chefin von Schloss Wackerbarth in Radebeul, sieht eine große Chance für Sachsens Schlösserlandschaft im Tourismus. „Wir müssen Gäste anlocken", sagte sie. Albert Prinz von Sachsen und seine Frau Elmira schlugen vor, eine sächsische Schlösserstraße zu entwickeln. Albert von Sachsen: „Wir sollten mehr auf große historische Ereignisse achten, wie die 800-Jahr-Feier von Dresden oder 200 Jahre Königreich Sachsen." Der amtierende Chef der sächsischen Schlösserverwaltung Matthias Tegtmeyer sagte, dass seine Behörde an einer sächsischen Schlösserdachmarke arbeitet. „Wir wollen dabei auch die privaten Schlossbesitzer einbeziehen."
Tatsächlich gibt es die größten Probleme nicht bei den 19 staatlichen Schlössern, die allesamt gut in Schuss sind, sondern bei den kommunalen und privaten Eigentümern. Beiden Gruppen fehlt zumeist das Geld. Eine Ausnahme bildet das Radeberger Schloss Klippenstein, das als Museum dient. Schlossherrin Katja Altmann: „Die ganze Stadt steht hinter dem Schloss. Die 18000 Einwohner spenden sogar Geld dafür." Ein schwer zu lösendes Problem sind die Objekte, die sich im Besitz von Spekulanten befinden. Niemand könne zu einem Verkauf gezwungen werden, sagte Amtschefin Judith Oexle.
Matthias Donath, dessen Buch „Schlösser in Dresden und Umgebung" gerade erschienen ist, setzt auf die Bündelung aller Kräfte. „Wir müssen uns zusammenschließen", sagte er. „In Brandenburg gibt es einen Verein Schlösser der Mark, der viel bewirkt hat."

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