Die Kunst, die Revolution, das
Schloss.
http://zehnder-bodensee.che.newsmemory.com/Bodensee Nachrichten vom 1. Juni 2012.
Erwin Feurer aus Egnach im
Gespräch über «seine» Burnout-Foundation, die Schere zwischen Arm und Reich und
seine Pläne.
Erwin Feurer sorgte vor zwei Jahren für
Aufsehen, als er eine wirtschaftliche und wissenschaftliche Weltrevolution mit
«Benzin aus Sand» starten wollte. Nun holt er Anlauf für eine weitere
Revolution: Der 2009 gegründete International Burnout Fund soll die grösste
Selbsthilfeorganisation aller Zeiten werden und die sozialen Verhältnisse
umwälzen. Ein Gespräch mit einem Visionär.
Herr Feurer, wie kommt man als
Privatperson auf die Idee, eine Burnout-Foundation zu gründen?
Der Gesundheitszustand von
Mensch und Umwelt hat einen sehr kritischen Zustand erreicht. Physisch und
psychisch ist die Belastung für sehr viele Menschen kaum mehr zu ertragen. Wirtschaftliche
und soziale Systeme lösen sich auf und drohen zu kollabieren. Das Resultat ist
ein riesiges Unbehagen und existenzielle Angst in weiten Teilen der gesamten
Erdbevölkerung. Wissenschaftliche Studien zeigen auf, dass jährlich 38,2 % der
Bevölkerung der EU (164,8 Millionen Menschen) unter einer klinisch bedeutsamen
psychischen Störung leiden; betroffen sind vermehrt auch Kinder und junge
Erwachsene. Aus psychischen Störungen, vornehmlich Depressionen, entstehen
nachweislich körperliche Krankheiten und Defizite. Das, was der International
Burnout Fund erreichen will, sind eigentlich alles Aufgaben, die grundsätzlich dem
Staat und seinen Organen vorbehalten sind. Ich bin aber der Meinung, dass der
Staat als die Summe aller Individuen an den Anschlag gekommen ist, sich selber
innerlich weitgehend aufgefressen hat und Mühe bekundet, sich überhaupt im
Sattel zu halten – und daher die Bedürfnisse vor allem der unteren und
mittleren Schichten nicht mehr wahrnimmt und erfüllen kann. Der Staat nimmt
Geld ein in einer riesigen Menge, generiert und druckt Geld in
unüberschaubarer, nahezu beliebiger Menge, aber er benötigt auch viel Geld für
die eigenen Bedürfnisse, für die Verwaltung sowie dazu, Systeme, die versagt
haben, z.B. die Banken, künstlich am Leben zu erhalten.
Sie denken, der Staat ist zu
sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich mit dem Phänomen «Burnout»
beschäftigen zu können?
Das Modell des
kapitalistischen Sozialstaats ist in der Endphase, ein Auslaufmodell. Der
Trend, alle Aufgaben dem Staat aufzubürden, muss sich wieder vermehrt drehen
zur Selbstverantwortung des Einzelnen. Die Bevölkerung verdoppelt sich in immer
kürzeren Abständen, die Menschen werden immer älter und nun auch noch immer psychisch
und physisch krankheitsanfälliger; dem Staat wird einfach zu viel zugemutet,
die Sozialsysteme sind mehr und mehr überlastet. Der Staat sieht zu wenig, was
in den Menschen draussen vorgeht, wie die Menschen leiden. Ich bin darum der
Meinung, dass es eine private Organisation geben muss, eine
Selbsthilfeorganisation, welche die Aufgaben, die anstehen, lösen kann, indem
sie auch Selbstverantwortung übernimmt.
Im Businessplan des
International Burnout Fund vom März dieses Jahres schreiben Sie, dass die Stiftung
auch betrieben wird, um inoffiziell Einfluss auf die Politik zu nehmen. Sie
wollen lobbyieren.
Es ist ein erklärtes Ziel des
International Burnout Fund, dass wir Einfluss auf Handlungen von Staat und
anderen politischen und wirtschaftlichen Trägerschaften nehmen wollen, dies
durchaus in einem gewissen aktiv-aggressiven Sinn – also in einem
Widerstandssinn bis hin zu einem kreativen Anarchismus. Wir wollen uns in den
Weg stellen, aber auch Lösungen erarbeiten und anbieten, ähnlich wie die
Piraten in Deutschland oder die Occupy-Bewegung weltweit. Auch bei diesen,
vornehmlich von jungen Menschen aufgestellten Organisationen steckt ein Hauch
von Anarchismus drin. Ich denke, dass dies ein ernstzunehmendes Modell für die
Zukunft sein kann und wird.
Noch existiert der
International Burnout Fund nur in der Theorie – sprich in Form eines
Businessplans. Was soll die Institution beinhalten?
Der IBF ist am 1. Mai 2009
gegründet worden mit dem Zweck: Vorbeugung, Behandlung und Erforschung der
Krankheit Burnout sowie ganzheitliche und nachhaltige Rehabilitation der
Burnout-Betroffenen; Errichtung von Behandlungszentren sowie Aufbau einer
Selbsthilfeorganisation. Die Ausübung von Solidarität der Gemeinschaft
gegenüber dem Einzelnen und umgekehrt, Information und Aufklärung der
Öffentlichkeit zum Thema Burnout, Einflussnahme auf Wirtschaft und Politik
sowie aktive Vertretung der Burnout-Betroffenen in der Öffentlichkeit stehen im
Zentrum der Arbeit des IBF. Die Strategie habe ich absichtlich sehr breit
gefasst. Die Zielgruppe ist die gesamte Bevölkerung, da das Risiko an den
Folgen eines Burnout zu leiden effektiv jeden Menschen auf dieser Welt treffen
kann. Darin steckt aber auch die grosse Chance, zu einer bedeutenden und
einflussreichen Selbsthilfeorganisation heranzuwachsen.
Das Schloss Radibor in Sachsen,
das dem International Burnout Fund gehört und das Sie seit Jahren auf
Vordermann bringen, soll als Zentrale der Stiftung dienen. Wieso Deutschland
und nicht die Schweiz?
Deutschland ist für den Start
des IBF ein hochinteressantes Land, da es mit der Eingliederung der Neuen
Länder (Ex-DDR) nach der Wende 1990 ganz besondere, sehr schwierige Aufgaben zu
bewältigen hat. Das Gefälle zwischen Arm und Reich ist nicht nur innerhalb der
Gesamtbevölkerung wahrnehmbar sondern auch zwischen Osten und Westen besonders
ausgeprägt. In der Schweiz werden die Vermögensunterschiede der
Bevölkerungsschichten weitgehend ausgeklammert oder finden auf höherem Niveau
statt. Burnout ist im Osten Deutschlands an allen Ecken und Enden erkennbar,
während in der Schweiz - vorderhand - Burnout sich manifestiert in der
Bereitstellung von Burnoutkliniken, die sich wiederum nur Bessergestellte
leisten können. Da ich mit dem International Burnout Fund die unteren und
mittleren Schichten ansprechen und von daher die soziale Revolution in Bewegung
bringen will, ist nach meiner Einschätzung der Osten Deutschlands der ideale Ausgangspunkt
dazu. Burnoutkliniken für ausgebrannte Manager zu errichten, gehört nicht zur
Zielsetzung des IBF. Die Schweiz wird jedoch in einer zweiten Phase ebenfalls
als Zielort einbezogen. In Sachsen ist zudem die Arbeitslosigkeit hoch – und
der International Burnout Fund kann so einen volkswirtschaftlichen Beitrag
leisten, indem Arbeitsplätze schafft.
Laut Businessplan besteht Ihr
erstes Ziel darin, 100 000 Sympathisanten, Gönner und Mitglieder zu finden.
Grenzt das an Utopie oder glauben Sie wirklich daran?
In Europa leben rund 500
Millionen Menschen. Alle Berichte, alle Statistiken, die ich lese, zeigen auf,
dass in etwa die Hälfte dieser 500 Millionen Menschen im Laufe ihres Lebens in
eine Depression oder in die Nähe eines Burnouts geraten könnten. So gesehen,
ist die erste Zielsetzung von 100 000 Sympathisanten, Gönnern und Mitgliedern
sogar bescheiden. Das Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn die Stiftung ein
aktives Fundraising und Sozialmarketing betreibt. Als Sympathisant kann
beitreten, wer die Anliegen des IBF versteht und ideell, also ohne finanzielle
Verpflichtung unterstützen will; Gönner verpflichten sich, einen finanziellen
Beitrag ab EUR 5/SFR 10 zu leisten, während die Mitglieder einen jährlich
festzulegenden Mitgliederbeitrag entrichten und an der aktiven
Strategieausrichtung des IBF teilnehmen.
Wie soll das aussehen?
Ich bin in Gesprächen mit
möglichen Projektleitern, die selbstständig eine Fundraising-Organisation auf
die Beine stellen. Das wird in Ostdeutschland geschehen. Die Abklärungen mit
den Behörden sind gemacht, die Einwilligung ist da. Es werden sogenannte
DialogerInnen auf die Strassen von Bautzen, Leipzig, Görlitz und Dresden etc.
unterwegs sein, um Sympathisanten, Gönner und Mitglieder zu generieren. Und
eines soll von Anfang klar gestellt sein: Die Menschen, die auf die Strasse
gehen, werden dafür bezahlt auf Provisionsbasis. Sie sollen davon leben können.
Gerade darum ist Ostdeutschland mit der hohen Arbeitslosenrate ein idealer
Ausgangspunkt für den Aufbau dieser Selbsthilfeorganisation. Dass Menschen sich
mit Burnout aktiv beschäftigen und damit auch noch Geld verdienen können, wird
einen hohen prophylaktischen Nutzen bringen und ihnen auch Druck und
Existenzangst lindern, insgesamt ihr Selbstwertgefühl steigern.
Die Stiftung soll also zuerst
in Ostdeutschland heranwachsen, um sich nachher weiter auszubreiten?
Genau. Am Anfang werden nur
ein paar Teamleiter mit je vier bis fünf DialogerInnen in den Strassen
Ostdeutschlands unterwegs sein. Danach soll die Stiftung aber so schnell wie
möglich und so weit wie möglich expandieren. Das Ziel ist, dass baldmöglichst
ein paar tausend Dialoger an der Front unterwegs sind und Sympathisanten,
Gönner und Mitglieder generieren. Damit das funktioniert, muss die Organisation
aber transparent und straff geführt sein. Jede Zahl, die raus und rein geht,
muss absolut nachvollziehbar sein und jederzeit offengelegt werden können.
Mit dem International Burnout
Fund wollen Sie Burnout-Betroffenen helfen. Was ist aus Ihrer Sicht das grösste
Missverständnis im Zusammenhang mit diesem Phänomen?
(Pause) Ein Missverständnis ist bestimmt darin
zu finden, dass die Ursache eines Burnouts meiner Meinung nach in der
ungünstigen Güterverteilung liegt. Es wird nicht gern darüber gesprochen, dass
die Güter dieser Welt relativ ungerecht verteilt sind und deswegen kommen wir
auch nicht zum Kern des Themas – wir wissen nicht genau, wie wir mit dieser
Schere zwischen Arm und Reich umgehen sollen. Wenn die Arbeitgeber den
Arbeitnehmern mehr geben würden, die Arbeitnehmer dafür aber auch mehr
Verantwortung und Einbindung, allenfalls auch Mitbestimmung und -beteiligung im
Betrieb erhalten würden – kurz, wenn die Kooperation optimaler wäre – dann
hätten wir weniger Burnout-Fälle.
Sie sprechen von einer
Demokratisierung der Arbeitswelt.
In diese Richtung geht es,
Humanisierung und Demokratisierung der Arbeitswelt sind Themen, die in einer
modernen Gesellschaft diskutiert und für alle Marktteilnehmer in
zufriedenstellender Weise gelöst werden müssen. Die Schere, die in der
Vergangenheit zugunsten der «Fünf Prozent», d.h. der 5% der Bevölkerung, die
über 95 % des Volksvermögens verfügen, immer weiter aufgegangen ist, müsste
zugunsten der „Habenichtse“, also der 95 % der Bevölkerung, die insgesamt nur
über 5 % des Volksvermögens verfügen, wieder zugehen. Das ist eine der Grundideen
und ein zentrales Anliegen des International Burnout Fund.
Die Stiftung haben Sie im Jahr
2009 ins Leben gerufen. Wann hat sich die Idee entwickelt?
Schon zwei bis drei Jahre
vorher. Ich habe meinen 60. Geburtstag kommen sehen und mir vorgenommen, dass
ich unabhängig von der Vergangenheit zwischen meinem 60. und 70. Lebensalter
noch etwas Wesentliches auf der Welt verändern will. Ich bin jetzt 61 und habe
in den vergangenen zwei Jahren schon viel für den International Burnout Fund
erreicht. Das Netzwerk steht und es geht jetzt effektiv nur noch darum, den
Vorstand von zehn bis 20 Leuten zusammenzustellen, die Strategie definitiv
auszuarbeiten und umzusetzen. Das Schloss Radibor in Sachsen, die Zentrale des
International Burnout Fund, ist ebenfalls bereit. Inzwischen ist das Schloss
nach jahrzehntelanger Verwahrlosung wieder erschlossen und bescheiden bewohnbar.
Verwaltung und Administration sind eingerichtet; namhafte Persönlichkeiten
haben bereits ihre Mitarbeit und Unterstützung zugesichert.
Das Schloss gilt auch als
Stützpunkt ihres früheren Projektes «Benzin aus Sand».
„Benzin aus Sand“ – also die
Möglichkeit, Erdöl durch Silanöl zu ersetzen, ist ein noch viel komplexeres
Thema. Ich habe in den letzten zwei Jahren die Türfallen an besten Adressen der
Wirtschaft, Politik und Wissenschaft „poliert“. Die Angst vor einem Paradigmenwechsel,
vor einer grundsätzlichen Weltbildveränderung, einem Wechsel ins
Siliziumzeitalter ist noch zu gross. Der Aufbau einer effizienten
Silantechnologie kostet in einer ersten Tranche rund 30 - 40 Millionen Franken.
Obwohl das Projekt „Benzin aus Sand“ absolut realisierbar, wissenschaftlich
stringent nachgewiesen und als vollkommen glaubwürdig eingestuft wurde, wollte
kein Investor den „Nestbeschmutzer“ spielen, da die Umwälzungen und
Veränderungen zu gross gewesen wären. Darum konzentriere ich mich jetzt auf den
International Burnout Fund. Der Weg zur wirtschaftlichen Revolution „Benzin aus
Sand“ führt über die soziale Revolution. Revolutionen kommen selten oder nie
von oben, sondern von unten her. Wenn wir mit dem International Burnout Fund
Erfolg haben, können wir uns anschliessend auch „Benzin aus Sand“ leisten.
Die Idee ist also stillgelegt?
Absolut nicht. Der Urheber,
Dr. Peter Plichta, versucht alles, um seine Idee zu verwirklichen. Da müsste
eine junge Generation von Wissenschaftlern hingehen und versuchen, seine Ideen
umzusetzen. Benzin aus Sand fasziniert mich nach wie vor unheimlich. Es ist ein
Projekt der Zukunft und eine Friedensinitiative, da die Menschen keine Angst
mehr haben müssten, dass ihnen der Rohstoff abhanden kommt. Die Rohstoffe zur
Herstellung des Silanöls sind Silizium, also Sand, was in der Erdrinde als
zweithäufigstes Element in unerschöpflich ausreichendem Mass vorhanden ist, und
Stickstoff, der zu 80 % die Atmosphäre
ausmacht. Viele Kriege und Interventionen
werden letztendlich wegen der Rohstoffe gemacht – das würde wegfallen, das wäre
das Phänomenale an dieser Idee. Wirtschaft, Politik und Wissenschaft müssen
dazu aber noch einen grossen Reifeprozess durchlaufen möglicherweise bis hin zu
Katastrophen und politischen Wirren.
Der International Burnout Fund,
Benzin aus Sand – steht das Schloss Radibor schlussendlich als Symbol für
gesellschaftliche Umwälzungen?
Ich stelle mich
wahrscheinlich manchmal etwas unklug an, weil ich viel zu offen sage, was ich
machen will – anstelle eines diplomatischen und pragmatischen Vorgehens. Wenn
mich jemand fragt, was ich vorhabe, dann sage ich Folgendes: Ich will nicht
mehr und nicht weniger, als ein paar Weltrevolutionen in Gang setzen. Eine
soziale Weltrevolution mit dem International Burnout Fund, welcher die grösste
Selbsthilfeorganisation aller Zeiten werden soll, dazu die wirtschaftliche
Weltrevolution mit „Benzin aus Sand“, die den Übergang ins Siliziumzeitalter
einläuten soll. Der Gesprächspartner ist dann erstmal ruhig und muss leer
schlucken. Ich nehme dabei in Kauf, wenn die Leute denken, dass ich ein Spinner
sei, denn es ist schlichtweg mein Wille, Klartext zu reden. Ethisch und moralisch
habe ich dabei ein sehr gutes Gefühl: Diese Weltrevolutionen sind keine
Revolutionen, bei denen Menschen sterben müssen; es sind Revolutionen zum Wohle
der Menschheit.
Interview: Benjamin Gahlinger
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen