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Von Erwin Feurer.
Donnerstagabend im Anschluss an Hauptnachrichten und Werbung - zur besten Sendezeit also - sendet das Schweizer Fernsehen in ihrem beliebten Sendegefäss DOK in gewohnt sachlicher und technisch einwandfreier Art einen allerdings höchst umstrittenen Beitrag: Tod nach Plan. Gezeigt wird der letzte Monat im Leben von André Rieder - minutiös, Schritt für Schritt - bis hin zu seinem von der Sterbeorganisation Exit durchgeführten Suizid. Trauerfeier, Abschied von seinen Freunden, ein letztes Essen in einem exklusiven Gourmetrestaurant hoch über Zürich, sein letzter Wunsch, ein Besuch der Picassoausstellung im Kunsthaus Zürich, Sequenz um Sequenz wird der Freitod eines „Untherapierbaren“ zelebriert bis in letzte Detail vom Filmjournalisten Hanspeter Bäni unter der verantwortlichen Leitung von Christoph Müller.
André Rieder ist gut, hat Schauspielertalent, scheint seinen Auftritt Szene um Szene zu geniessen. Der Countdown zum Selbstmord ist choreographisch meisterhaft inszeniert. Sämtliche Beteiligten vor und hinter der Kamera liefern zufriedenstellende, exzellent vorbereitete Leistungen ohne irgendwelche nicht vorhersehbare Überraschungen ab.
Der 1. Dezember 2010 ist im wahrsten Sinne des Wortes die „Deadline“, das erklärte Ziel des einst beruflich, persönlich und gesellschaftlich erfolgreichen Mannes, eines Akademikers mit Leistungsausweis, nebenbei homosexuell veranlagt, der jedoch nach der Mitte seines Lebens scheiterte und sich mit diesem Scheitern nicht abfinden konnte. Sein psychisches Leiden, manische Depression, wird als unwiderlegbarer Grund für den Übertritt ins Jenseits dargestellt, belegt durch psychiatrische Gutachten von der Exit nahestehenden, wissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften.
Für Wulf Rössler, seit 1996 ordentlicher Professor für klinische Psychiatrie, speziell Sozialpsychiatrie an der Universität Zürich und gleichzeitig Direktor der Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie Zürich West der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich, ist der Fall überhaupt nicht klar. Er stellt fest, dass es weder für den Betroffenen noch für behandelnde Fachleute die Kapitulation vor der Untherapierbarkeit geben darf und dem Menschen in seiner gesellschaftlichen Verantwortung und Eingebundenheit das Ticket zum Selbstmord im vorliegenden Fall nicht so ohne Weiteres gegeben werden darf.
Auch Markus Zimmermann-Acklin, Ethiker und Moralteheologe von der Universität Freiburg, sagt klar, dass ein Mensch, der jemandem anderen beim Suizid hilft, zumindest zur inneren Überzeugung gelangt sein muss, dass es für den Betreffenden keinen anderen Weg gibt als der Selbstmord.
Heidi Vogt, Freitodbegleitung von Exit, die seit Frühjahr 2010 den fragwürdigen Selbstmord begleitet und organisiert, versucht sich nach allen Seiten abzusichern, indem sie dem Sterbewilligen jederzeit die Ausstiegschance einräumen will.
Freitagmorgen, 18. Februar 2011, Tag nach der Aussendung des Suizidbeitrags in SF1 DOK, der Film kann im Internet heruntergeladen und erneut angesehen werden. Im Vorspann kurze Programmvorschau auf SF Bi de Lüt, die Alten kommen, TV-Sponsoring der MIGROS, von der Region für die Region, Hinweis auf die aktuelle, mod. - also moderierte - Diskussion, 67 Beiträge sind bereits eingereicht worden, die ersten fünf Beiträge voll des Lobes und mit Gratulationen, dann auch gemässigt kritische Stimmen, nicht aber gegen die Redaktion, sondern gegen den untherapierbar vor laufender Kamera in den Suizid „begleiteten“ nunmehr toten Fernsehhelden.
Des Weiteren teilen bereits 50 Personen diesen „Irrsinn“ im Facebook mit der Anmerkung „Gefällt mir“, anscheinend ein weiterer Beweis, dass die Redaktion DOK unter der Leitung von Christoph Müller einmal mehr einen Volltreffer gelandet haben soll, das Schweizer Fernsehen klopft sich damit selbst auf die Schultern und gefällt sich in der Rolle, wieder einmal mehr „den richtigen Riecher“ gehabt zu haben. Alles in allem haben um 10:14 Uhr bereits 3602 Zuschauer den Beitrag erneut angesehen, die fünf Sterne leuchten tiefrot auf, eine Sendung der Superlative also, die Einschaltquote wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekanntgegeben.
Nun, damit wäre ja alles bestens. Hände reiben ist angesagt, der Champagner darf geöffnet werden, die Korken dürfen knallen. Wenn da nicht das Schweizerische Strafgesetzbuch (StGb) wäre, egal, welche Fassung zur Hand genommen wird. Es stellt sich tatsächlich ernsthaft die Frage, ob gegen das Schweizer Fernsehen und deren Verantwortliche, allen voran, gegen Hanspeter Bäni und Christoph Müller , allenfalls auch gegen die Programmverantwortlichen bis hin zu Herrn Roger de Weck anstelle eines Lobgesangs nicht eine Strafuntersuchung, durchgeführt von der Staatsanwaltschaft Zürich, wegen mutmasslicher Beihilfe zu Mord eingeleitet werden muss.
Auch Selbstmord ist Mord, nur kann der Tatverdächtige nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden, und selbst wenn dies um alle Ecken des Gesetzes noch möglich wäre, würde der Richter im vorliegenden Fall Strafmilderungs- bzw. Strafminderungsgründe bis hin zur Unzurechnungsfähigkeit annehmen und den Täter, der gleichzeitig Opfer ist, aller Voraussicht nach mit einem Freispruch belegen; die Rechtswissenschaftler werden dies schon richtig subsumieren, werten, würdigen und einordnen können.
Wer jedoch mit Sicherheit noch da ist, sind die mutmasslichen Mittäter und Mitverantwortlichen, die beim ganzen Prozedere, auch Tatablauf genannt, dabei waren, zugesehen und mutmasslich auch mitgewirkt haben. Mord ist zudem ein Offizialdelikt, das heisst, die Staatsanwaltschaft bzw. das Untersuchungsrichteramt, müssen von Amtes wegen tätig werden. Abzuklären ist zumindest, ob das Schweizer Fernsehen dem mutmasslichen (Selbst-)Mörder für seine Tat Geld offeriert und bezahlt hat. Wie dem Beitrag zu entnehmen ist, wurde das Treffen mit dem Zauberer Peter Marvey, „Magician without Limits“, im Theater 11 von Hanspeter Bäni arrangiert wie auch weitere Zusammenkünfte. Sollte mutmasslich Geld vom Schweizer Fernsehen an André Rieder vor seinem Selbstmord geflossen sein, stellt sich unwillkürlich die zentrale Frage, ob ohne diesen Geldsegen der Selbstmord überhaupt möglich gewesen wäre, da Exit ja bekanntermassen nicht nur wegen „der blauen Augen“ arbeitet.
Alles Weitere obliegt nun der Staatsanwaltschaft, die spätestens seit gestern Abend, nach der Ankündigung im Boulevardblatt Blick vom Vortag jedoch schon vorher, über diesen Tathergang informiert war und daher Massnahmen bis hin zur Verhaftung und Anordnung von Untersuchungshaft vornehmen kann, sofern nach ihrer Einschätzung Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht. Das Mindeste, was von den Strafbehörden erwartet werden kann, ist jedoch die Aufnahme einer ordnungsgemässen und sauberen Strafuntersuchung, die je nachdem zu einer ordentlichen Strafklage wegen mutmasslicher Beihilfe zu Mord führen kann.
Es geht nicht darum, die Verantwortlichen des Schweizer Fernsehens an den Pranger zu stellen, die Sendung DOK ist tatsächlich eine von Europas besten Angeboten im Medienbereich. Deren Machern, allen voran Christoph Müller, gehört höchste Anerkennung für Format und Inhalt ihrer höchst beachtlichen, von hohem gesellschaflichem Nutzen geprägten Medienprodukte, ihr Mut ist aussergewöhnlich.
Was nun vorliegt durch die Aussendung des gestrigen Beitrags „Tod nach Plan“, ist jedoch eine einmalige Chance, die Schweizerische Rechtsordnung auf den Prüfstand zu nehmen und die Gesetzgebung bzw. die Gerichte zu veranlassen, wenn nicht sogar zu zwingen, ein von der Öffentlichkeit schon lange erwartetes Urteil im umstrittenen Bereich der Sterbehilfe zu fällen. Eine riesige Unsicherheit in der „noch lebenden“ Bevölkerung könnte damit geklärt werden. Eine wegweisendere Entscheidung eines Gerichts in einer für alle Menschen todsicheren Sache ist kaum denkbar. Damit wären dem Schweizer Fernsehen, vor allem aber Christoph Müller und seiner Crew der grosse Coup gelungen, der (Selbst-)Mord von André Rieder würde definitiv Sinn machen.
Nach einem Freispruch, den ich für die soziokulturell hochstehenden Fernsehmacher Christoph Müller und Hanspeter Bäni in diesem gegen sie anzuhebenden Strafprozess erwarte, würde ich ihnen einen Riesenblumenstrauss überreichen.
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